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Gesundheitswesen aktuell

„Sie sollten sich schonen“ – oder auch nicht?

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Ein auf den Patienten individuell abgestimmtes Trainingsprogramm kann einen wesentlichen Beitrag zur körperlichen Fitness leisten

„Hormone sind lebenswichtig“

Es ist noch nicht sehr lange her, dass man Krebspatienten riet, Anstrengungen oder Belastungen möglichst zu meiden, um den Heilungsprozess zu fördern. Wie wir mittlerweile wissen, ist genau das Gegenteil richtig: Bewegung und der Erhalt körperlicher Fitness sind sehr förderlich für die Wiedererlangung unserer Gesundheit. Gerade bei Patientinnen und Patienten, die einen längeren Krankenhausaufenthalt vor sich haben, ist es wichtig, mit einem gezielten Trainings- und Ernährungsprogramm bereits während des stationären Aufenthalts zu beginnen. Dies gilt in besonderem Maße für Patienten nach der Diagnose einer akuten Leukämie oder für Patienten, die eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation erhalten, d.h. der Übertragung eigener Knochenmark- oder Blutstammzellen, da diese oft einen mehrwöchigen Aufenthalt vor sich haben. Aus diesem Grund hat das Städtische Krankenhaus auf der Leukämiestation einen eigenen Fitnessraum eingerichtet, in dem Patienten unter Anleitung von erfahrenen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten ein gezieltes Trainingsprogramm absolvieren.Bewegung und Ernährung sind eng verknüpftLängere Bettlägerigkeit führt unweigerlich zum raschen Abbau unserer Muskulatur. Neben der Inaktivität wird das Problem durch eine mangelnde Ernährung noch verstärkt. Nach einer intensiven Therapie klagen Patienten oft über mangelnden Appetit. Zusätzlich kann eine angegriffene Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts zu Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme oder zu Durchfall führen und die Schwäche deutlich verschlimmern. Eine gute Kontrolle dieser Symptomatik sowie ein individuell angepasstes Ernährungsprogramm sind entscheidend, um auch in dieser Zeit eine ausreichende Kalorienzufuhr sicherzustellen. Wohl gemeinte diätetische Empfehlungen, die letztlich zu einer Mangelernährung führen, sind in dieser Phase völlig fehl am Platz. Im Städtischen Krankenhaus bemühen sich daher Ernährungsberater, Diätassistenten und Ernährungsmediziner gemeinsam mit Ärzten und Pflegepersonal um eine ausgewogene und ausreichende Nahrungszufuhr.

Fitnessraum auf der Leukämiestation des Städtischen Krankenhauses

Verminderung der Nebenwirkungen

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass körperliche Aktivität zu einer Verminderung der Nebenwirkungen einer intensiven Therapie führen kann. Damit ist es möglich, die Lebensqualität bereits während einer intensiven Therapie, wie sie zum Beispiel bei akuten Leukämien zur Anwendung kommt, zu verbessern. Diese positiven Wirkungen sind auch nach Beendigung der Chemotherapie anhaltend. Es wurde festgestellt, dass sich ein Bewegungsprogramm während der Chemotherapie positiv auf die Gesundung und körperliche Leistungsfähigkeit nach Abschluss der Therapie auswirkt.Verminderung der Nebenwirkungen

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass körperliche Aktivität zu einer Verminderung der Nebenwirkungen einer intensiven Therapie führen kann. Damit ist es möglich, die Lebensqualität bereits während einer intensiven Therapie, wie sie zum Beispiel bei akuten Leukämien zur Anwendung kommt, zu verbessern. Diese positiven Wirkungen sind auch nach Beendigung der Chemotherapie anhaltend. Es wurde festgestellt, dass sich ein Bewegungsprogramm während der Chemotherapie positiv auf die Gesundung und körperliche Leistungsfähigkeit nach Abschluss der Therapie auswirkt.

„Sie sollten sich schonen“ – oder auch nicht?-2
Prof. Dr. Roland Repp Chefarzt 2. Medizinische Klinik, Städtisches Krankenhaus Kiel

Einige Chemotherapeutika können Nebenwirkungen an Nervenendigungen verursachen, was zu Gefühlsstörung, Taubheitsgefühl und Schmerzen führen kann. Auch diese Beschwerden können durch körperliches Training verbessert werden. So wurde in Studien gezeigt, dass durch ein Koordinationstraining, kombiniert mit einem Ausdauer- und Krafttraining, die durch eine Chemotherapie bedingte Nervenschädigung (Polyneuropathie) günstig beeinflusst werden kann.

Da die Chemotherapie als Nebenwirkung auch die Bildung gesunder Blutzellen hemmt, ist es während einer intensiven Chemotherapie, wie sie bei den akuten Leukämien angewendet wird, notwendig, rote Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) über eine Bluttransfusion zu ersetzen. Bei Patienten mit autologer Stammzelltransplantation konnte in einer klinischen Studie gezeigt werden, dass regelmäßiges Training, die Häufigkeit der Transfusion von Erythrozyten und Thrombozyten reduziert werden konnte.

Richtiges Maß an Bewegung hilft bleierne Müdigkeit (Fatigue) zu reduzieren

Ein für viele Betroffene sehr belastendes Symptom während einer intensiven Therapie besteht in Form körperlicher und psychischer Erschöpfung mit ausgeprägter Müdigkeit. Das Wesen dieser als Fatigue bezeichneten Problematik ist, dass vermehrtes Schlafen und Ausruhen zu keinerlei Besserung führt. Auch hier belegen Studien, gezieltes Training kann helfen. Entscheidend ist dabei das richtige Maß. Eine Belastung über die aktuellen Leistungsgrenzen hinaus, die oft während einer Leukämiebehandlung eingeschränkt sein können, kann sich ebenso schädlich auswirken wie zu geringes Training. Ein gezieltes Ernährungs- und Bewegungsprogramm kann somit belastende Symptome wie bleierne Müdigkeit (Fatigue) bereits während des stationären Aufenthalts deutlich lindern.

Psychoonkologen helfen im Städtischen die psychische Verfassung zu verbessern

Körperliche Aktivität hat darüber hinaus positive Effekte auf die seelische Verfassung. Sie kann helfen mit Angst und Stress besser umzugehen, besser zu schlafen und sich insgesamt positiver zu fühlen. Patienten die mit der Diagnose einer lebensbedrohenden Erkrankung wie einer akuten Leukämie konfrontiert werden, sind meist zutiefst erschüttert. Hinzu kommen mögliche soziale Probleme, welche die Erkrankung mit sich bringt. Zur Unterstützung und Besserung der psychischen Verfassung werden die Patienten im Städtischen Krankenhaus von einem hochkompetenten Team von Psychoonkologen betreut.

Gute körperliche Verfassung hilft schneller in den Alltag zurückzukehren

Eine intensive Therapie sowie ein gezieltes Bewegungsprogramm innerhalb der vorhandenen Leistungsgrenzen stellt kein Widerspruch dar, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Die positiven Auswirkungen sind bereits während einer Leukämiebehandlung spürbar vorhanden und bleiben auch nach Entlassung stehen. Eine gute körperliche Verfassung hilft, nach Abschluss einer Therapie wieder schneller in das normale Leben zurückzufinden. Ist bei einer akuten Leukämie nach Abschluss einer Chemotherapie eine Blutstammzelltransplantation notwendig, kann auch dieser Schritt durch eine entsprechende körperliche Verfassung leichter bewältigt werden.

Kontakt:
Prof. Dr. Roland Repp
Chefarzt 2. Medizinische Klinik
Tel.: 0431 1697-1201
med@krankenhaus-kiel.de

„Hormone sind lebenswichtig“

„Sie sollten sich schonen“ – oder auch nicht?-3
Prof. Dr. Heiner Mönig, Endokrinologe in der 3. Medizinischen Klinik, Städtisches Krankenhaus Kiel

Im Interview erläutert Prof. Dr. Heiner Mönig, Endokrinologe in der 3. Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Kiel, was sein Fachgebiet zur Versorgung ambulanter und stationärer Patienten beitragen kann.

Sie haben am 1. Februar 2019 Ihre Arbeit als Oberarzt für den Bereich Endokrinologie am Städtischen Krankenhaus Kiel aufgenommen, nachdem Sie mehr 25 Jahre die Endokrinologie der Klinik für Innere Medizin I des UKSH geleitet haben. Was hat Sie zu dem Wechsel bewogen, anstatt „in Rente“ zu gehen?

Ich denke, dass die Erfahrungen eines langen Berufslebens der nachfolgenden Generation zugutekommen sollten. Jüngere Kolleginnen und Kollegen auszubilden, hat mir immer sehr viel Freude bereitet. Mit dem Städtischen Krankenhaus habe ich außerdem schon seit Jahren immer wieder gut zusammengearbeitet, so dass es sich anbot, diese Kooperation jetzt zu intensivieren. Die Voraussetzungen dafür sind sehr günstig, denn im Städtischen Krankenhaus Kiel besteht eine ausgesprochen gut entwickelte Kultur der interdisziplinären Zusammenarbeit. Das kommt meiner Aufgabe, das Teilgebiet Endokrinologie fächerübergreifend zu vertreten, sehr entgegen.

Was genau muss man sich unter Endokrinologie vorstellen?

Im engeren Sinn beschäftigt sich die Endokrinologie mit Erkrankungen der Hormondrüsen, vor allem also der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), der Schilddrüse, der Nebenschilddrüsen, der Nebennieren und der Keimdrüsen (Eierstöcke bzw. Hoden). Dieses Hormonsystem ist überlebenswichtig; so wird z. B. die Reaktion auf Stress über Signale der Hypophyse an die Nebennieren vermittelt, die daraufhin das Stress-Hormon Cortisol produzieren. Das Fachgebiet hat aber in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Erweiterung über diese „klassische“ Endokrinologie hinaus erfahren. In erster Linie ist hier der große Bereich der Stoffwechselstörungen im Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas zu nennen. Man weiß heute, dass sowohl der Magen-Darm-Trakt als auch das Fettgewebe äußerst aktive endokrine Organe sind, in denen zahlreiche Hormone oder hormonähnliche Stoffe gebildet werden. Diese Erkenntnisse haben unser Verständnis für die Entstehung von Übergewicht und Fettleibigkeit erheblich erweitert. Auch der Diabetes gehört zu den endokrinen Erkrankungen; die Diabetologie ist aber im Städtischen Krankenhaus Kiel schon seit Jahren bestens aufgestellt. Weitere Schwerpunkte meiner Arbeit in den letzten Jahren waren außerdem die Osteoporose und die Stoffwechselstörungen des Knochens.

Sie erwähnten den fächerübergreifenden Stellenwert der Endokrinologie. Was heißt das genau?

Zum einen kommen endokrinologische Funktionsstörungen bei Patienten aus allen Fachgebieten vor. Ich nenne als Beispiel einmal die Störungen des Kalzium-Stoffwechsels bei Tumorpatienten, die durch Hormone verursacht werden, oder die Störungen des Wasser- und Salzhaushaltes, die ebenfalls bei Tumorpatienten, aber auch nach Operationen auftreten können. Auch zwischen Rheumatologie und Endokrinologie gibt es Schnittstellen; hier kann man zum Beispiel die Osteoporose durch Cortison-Therapie nennen, die nach Möglichkeit verhindert werden sollte. Eine weitere Erkrankung, die einen interdisziplinären Ansatz unter Einbeziehung der Endokrinologie erfordert, sind die sogenannten neuroendokrinen Tumoren, auch neuroendokrine Neoplasien genannt.

Was sind neuroendokrine Tumoren?

Neuroendokrine Tumoren sind im Prinzip bösartige Geschwülste, die sich aber ganz anders verhalten als die allgemein bekannten Krebserkrankungen. Sie sind auch deutlich seltener und erfordern deshalb eine besondere Erfahrung in der Diagnostik und Therapie. Diese Tumoren kommen vorwiegend im Magen-Darm-Trakt vor, können sich aber in allen Organen bilden. Die Behandlung reicht vom Abtragen einer solchen Geschwulst im Rahmen einer Endoskopie über chirurgische Eingriffe bis hin zu komplexen chemotherapeutischen, immunologischen oder nuklearmedizinischen Behandlungen. Hier wird die Notwendigkeit einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit besonders deutlich, denn für jeden Patienten muss die therapeutische Strategie „maßgeschneidert“ werden. Neuroendokrine Tumoren produzieren gelegentlich Hormone, die z. B. zu Diarrhoe oder Unterzuckerung führen. Dadurch kann die Lebensqualität der Patienten massiv beeinträchtigt sein.

Hat es auf diesem Gebiet in den letzten Jahren Fortschritte gegeben?

Ja, die Bedeutung dieser Tumoren ist seit einigen Jahren zunehmend erkannt worden. Inzwischen gibt es internationale Fachgesellschaften, die sich mit dem Thema beschäftigen, z. B. die europäische Gesellschaft für neuroendokrine Tumoren (ENETS), bei der ich auch Mitglied bin. Inzwischen existieren zahlreiche Leitlinien, z. B. durch die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, bei der ich mitarbeiten durfte. Diese Tumoren sowie die anderen Geschwülste der Hormondrüsen werden ein Schwerpunkt meiner Mitarbeit im Städtischen Krankenhaus Kiel sein.

Kontakt:
Prof. Dr. Heiner Mönig
Oberarzt 3. Medizinische Klinik
Endokrinologie und neuroendokrine Neoplasien